Volksabstimmungen, Selbstbestimmung und Minderheitenrechte nach 1918 in Mittel- und Osteuropa
im Rahmen des Klaus Zernack Colloquiums laden wir Sie herzlich ein zum Vortrag von
DR. ALEKSANDRA NAMYSŁO (KATTOWITZ)
Im multikulturellen Schlesien, das im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlichen Staaten angehörte, waren Juden schon seit dem Mittelalter ein prägender Bestandteil der Gesellschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg, drei Aufständen und Plebisziten fiel der südöstliche Teil der Region, Ostoberschlesien, an Polen. Das hatte gravierende Folgen für die Bevölkerung, die in diesem Grenzraum lebte. Deutsche, Polen und Oberschlesier nebeneinander, wobei sich Letztere entweder eher polnisch oder eher deutsch, oder aber in dieser Hinsicht indifferent fühlten. Die in der Region stets vorherrschende deutsch-polnische Rivalität zwang auch die jüdischen Bewohner dazu, sich für eine Seite des Konfliktes auszusprechen und sich einer konkreten Kultur und Nation zuzuordnen. Die ansässige, autochthone jüdische Gemeinschaft entschied sich überwiegend für die deutsche Sprache und Kultur und sah dabei die aus den ehemaligen Teilungsgebieten Polens (Galizien und Kongresspolen) zugereisten Jüdinnen und Juden eher als kulturelle und mentale Bedrohung an. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lebten Autochthone und Hinzugekommene in sich stark voneinander abgrenzenden und miteinander konkurrierenden Parallelwelten.