Lebenswelten polnischer Zwangsarbeiter in Berlin in den Jahren 1939-1945

Art des Projekts: Habilitationsprojekt
Projektleiter: Dr. Katarzyna Woniak
Ort: Berlin
Termin: 2014-2018

Der Forschungsgenstand dieses Projekts ist die Zwangsarbeit polnischer Arbeiter in Berlin sowie die herausragende Bedeutung dieser Erfahrung während der deutschen Besatzung zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Das Projekt schreibt sich in die aktuellen europäischen Diskurse zum Zweiten Weltkrieg  ein. Es steht damit in einer Reihe mit anderen Untersuchungen, die den Alltag unter deutscher Besatzung und die Opfer der deutschen und sowjetischen Vernichtungspolitik in Mittel- und Osteuropa thematisieren. Die deutsche Besatzung mit ihren Terrormechanismen veränderte die sozialen und gesellschaftlichen Strukturen grundlegend. Sie determinierte das Leben des Einzelnen vollständig.  Die Zwangsarbeit bildete eine von vielen Erscheinungen der deutschen Besatzung. In der polnischen Historiographie ist sie allerdings nur seltenen ein Bestandteil von Untersuchungen, insbesondere die soziale Geschichte der Zwangsarbeit bleibt bis heute kaum erforscht.

Die ungeheuer große Dimension der Zwangsarbeit belegt die Wichtigkeit dieses Forschungsgegenstandes. Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigten die Deutschen zwangsweise nahezu 20 Millionen Arbeitskräfte. Selbst in Deutschland gab es ca. 13 Millionen Zwangsarbeiter, darunter ca. 2,8 Millionen aus Polen. Der Begriff Zwangsarbeiter umfasst dabei Zivilarbeiter, Kriegsgefangenen sowie KZ- und Justiz-Häftlinge. Unter häufig extremen Lebens- und Arbeitsbedingungen versuchten sich die Betroffenen eine „normale”  Wirklichkeit, einen mentalen Zufluchtsort, zu erschaffen.  

Das Projekt widmet sich einerseits der Untersuchung der Ereignisgeschichte der Zwangsarbeit und anderseits der Erinnerung an diese Erfahrung. Beide Forschungsfelder  werden mit Hilfe des soziologischen Konzepts der Lebenswelt analysiert. Es handelt sich dabei um die Betrachtung der Wirklichkeit aus der Perspektive des Einzelnen. Dadurch können seine emotionalen Sphären, Wahrnehmungshorizonte und Handlungen besser beschrieben werden.

In bisherigen Arbeiten zum Zweiten Weltkrieg nutzte man für die Erforschung der sozial- und kulturgeschichtlichen Fragen die zeitgenössischen Gerichtsakten nur selten. Noch seltener konfrontierte man die daraus gewonnenen Schilderungen mit den  Quellen der Oral History.  Dieses Projekt verbindet archivalische Quellen mit den später entstandenen autobiographischen Zeugnissen und Ego-Dokumenten. Gleichzeitig wird dabei auf Methoden aus anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen zurückgegriffen.

Das Projekt wird helfen, die Zwangsarbeit als eine multidimensionale Erfahrung des nationalsozialistischen Terrors zu verstehen und unterschiedliche Lebenswelten polnischer Zwangsarbeiter zu veranschaulichen.