Deutsche und Polen teilen viele Erinnerungen, die jedoch unterschiedlichen Identitätsbedürfnissen in beiden Gesellschaften entsprechen. Die hier vorliegenden Essays über gemeinsame und geteilte deutsch-polnische Erinnerungsorte erlauben analytische Einblicke in die Erinnerungskulturen beider Länder, in ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Die deutsch-polnische Nachbarschaft bringt es mit sich, dass sich ohne die Kenntnis der jeweils anderen Geschichte auch die eigene nur unvollkommen verstehen lässt. Die Autoren der hier versammelten Beiträge überwinden die nationalen Schemata, indem sie die deutschen und polnischen Erinnerungskulturen in gesellschaftlichen, regionalen, genderbezogenen und konfessionellen Kontexten betrachten.
Wie man in die Geschichte hineinruft, so schallt es aus ihr heraus. Wer von ihr nicht nur hören will, was ihm ohnehin vertraut ist, muss den Standort wechseln. Ein Schritt ins Ungewisse. Die Deutsch-Polnischen Erinnerungsorte wagen ihn, sie fordern uns heraus, die Geschichte unvertraut zu sehen. Nur so werden Einsichten möglich, die man nicht erwartet hatte.
In diesem Werk gelingt ein ungewohnter Blick in die Geschichte: Es werden „Orte“ aufgesucht, mit denen im kollektiven Gedächtnis der Deutschen und der Polen unterschiedliche, nicht selten gegensätzliche Erfahrungen verbunden sind. Das scheinbar Selbstverständliche mit den Augen des anderen betrachten, heißt, sich selbst und die eigene Geschichte besser verstehen.
Prof. Dr. Dieter Langewiesche
Die Deutsch-Polnischen Erinnerungsorte sind eine ungewöhnliche, kühne, fast extravagante Forschungsidee. Pierre Noras Begriff „Erinnerungsort“ hat sich in vielen Ländern ausgebreitet, doch die meisten Arbeiten gelten bislang nationalen Erinnerungsorten.
Das Besondere an den Deutsch-Polnischen Erinnerungsorten besteht darin, dass die Grenzen einer nationalen Gemeinschaft überschritten werden. Die Analyse von Erinnerungsorten zweier benachbarter Gesellschaften zeigt, was teilte (und teilt), aber ebenso auch, was verband (und verbindet). In der Geschichte der deutsch-polnischen Nachbarschaft gab es sowohl schmerzliche Konflikte als auch Zeiträume einträchtigen Miteinanders. Das Wissen darum, was den beiden Gesellschaften gemeinsam ist, selbst wenn es meist unterschiedlich ausgedrückt wird, und darum, was sie unterscheidet, vertieft das gegenseitige Verständnis und lehrt Respekt vor einer immer reicher werdenden Welt der Vielgestaltigkeit.
Prof. Dr. Barbara Szacka