Preisträger/innen des Wissenschaftlichen Föderpreises des Botschafters der Republik Polen 2018

17.12.2018

Vier Wissenschaftliche Förderpreise verleiht der Botschafters der Republik Polen im Jahr 2018
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m Konferenzsaal des Topoi-Haus Dahlem der Freien Universität Berlin

Polnische Universitäten im Untergrund und die Konstruktion der historischen Zeit in Zeit-Schriften
sind die preisgekrönten Dissertationsthemen der Preisverleihung vom 13.12.2018

 

Clara Frysztacka und Friedrich Cain sind Preisträger des diesjährigen Wissenschaftlichen Förderpreises des Botschafters der Republik Polen.
Am Donnerstag, dem 13. Dezember 2018, 16.00 Uhr, übergab der Botschafter der Republik Polen, S. E. Prof. Dr. Andrzej Przyłębski, den Nachwuchswissenschaftlern den mit jeweils 2.000 Euro dotierten Preis für ihre Doktorarbeiten zu den Themen: „Zeit-Schriften. Die Konstruktion der historischen Zeit in der Moderne am Beispiel der polnischsprachigen Wochenpresse ‚für viele‘ am Ende des ‚langen‘ 19. Jahrhunderts“ (Clara Frysztacka, Universität Siegen), betreut von Prof. Dr. Claudia Kraft und Prof. Dr. Martina Kessel sowie  „Wissen im Untergrund. Polnische Universitäten im Zweiten Weltkrieg“ (Friedrich Cain, Universität Konstanz), betreut von  Prof. Dr. Bernhard Kleeberg, Dr. habil. Piotr Majewski und Prof. Dr. Sven Reichardt.

Die Dissertation von Frau Frysztacka überzeugte als eine, die über einen interdisziplinären Ansatz eine nahezu philosophische Reflexion des Wesens der Zeit als solcher darstellt. Die schafsinnige Quellenanalyse an polnischsprachigen Beispielen leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der europäischen Moderne und stellt damit eine Pionierleistung zur kulturgeschichtlichen Zeitforschung dar – hieß es in der Laudatio von Professor Alexander Wöll.

Herr Cain hat in seiner Dissertation eine außerordentliche Kenntnis der wissenschafts-geschichtlichen, aber auch der politik- und militärgeschichtlichen Literatur bewiesen und dieses Wissen zu einer faszinierenden Geschichte der polnischen Wissenschaft im Zweiten Weltkrieg verarbeitet, die etliche überkommene Thesen in Frage stellt und viele Aspekte der Universitäten im Ausnahmezustand der Besatzung neu beleuchtet – so beurteilt Professor Klaus Ziemer die preisgekrönte Arbeit.

 

In diesem Jahr werden aufgrund des hohen wissenschaftlichen Niveaus jeweils zwei Hauptpreise in den Kategorien Dissertationen und Abschlussarbeiten sowie weitere Auszeichnungen verliehen.

 

Den mit jeweils 500 Euro dotierten Hauptpreis in der Kategorie Masterarbeiten erhielten Anne Sophie Kluger mit ihrer Arbeit zum Thema „Zwischen Wissenschaft und Ideologie. „Slawische Archäologie“ und ihre politische und ideologische Durchdringung am Beispiel von Joachim Herrmann und Witold Hensel“ (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) betreut von Prof. Dr. Eduard Mühle, Prof. Dr. Thomas Großbölting und Moses Fendel mit seiner Arbeit zum Thema: „Przemyśl 1939/40. Von Menschen und Grenzen zur Zeit des Hitler-Stalin-Pakts“ (Europa-Universität Viadrina), betreut von Prof. Dr. Claudia Weber, Prof. Dr. Werner Benecke.

Die Masterarbeit von Frau Kluger befasst sich mit der Frage, inwieweit die sogenannte ‚Slawenarchäologie‘ in der DDR und der Volksrepublik Polen ideologisch und/oder politisch „durchdrungen“ war und weist in Ihrer Arbeit nach, wie sinnvoll es ist, wissenschaftsgeschichtliche Untersuchungen an Biographiegeschichte anzubinden und damit zu konkretisieren. Ihre Arbeit setzt sich auf diese Weise mit einer wissenschaftsgeschichtlichen Forschungslücke auseinander – lobt der Direktor des ZHF Berlin, Professor Igor Kąkolewski.

Für seine Masterarbeit hat Herr Fendel eindrucksvoll veranschaulicht, wie die angestammten Einwohner der Stadt Przemyśl – Polen, Juden und Ukrainer –, aber auch tausende von Flüchtlingen die Grenze physisch erfuhren. Dabei hat Herr Fendel umfangreiche Archivbestände in Warschau, Przemyśl, Moskau, Berlin und München gesichtet und eine neue Forschungsperspektive entwickelt – belobigt in ihrer Laudatio Professorin Yvonne Kleinmann.

 

Die Auszeichnungen erhielten:

  • Jana Fuchs (Doktorarbeit): Besonders zentral. Politische Repräsentation und gesellschaftliche Auseinandersetzung am Beispiel des Städtebaus zweier historischer Plätze in Warschau, 1945 bis 1989, Friedrich-Schiller- Universität Jena, Gutachter: Prof. Dr. Joachim von Puttkamer, Prof. Dr. Jörg Ganzenmüller
  • Markus Nesselrodt (Doktorarbeit): Der Vernichtung entkommen: Erfahrungen polnischer Juden in der Sowjetunion (1939-1946), Freie Universität Berlin, Gutachterinnen: Prof. Dr. Gertrud Pickhan, Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum
  • Małgorzata Popiołek-Roßkamp (Doktorarbeit) : Warschau. Ein Wiederaufbau, der vor dem Krieg begann, Technische Universität Berlin & Uniwersytet Wrocławski, Gutachter*innen: Prof. Dr. Gabi Dolff-Bonekämper, Prof. Dr. Agnieszka Zabłocka-Kos, Prof. Dr. Robert Traba, Prof. Dr. Paul Zalewski
     
  • Simon Behnisch (Master): Vaterstadt, Vaterland, Republik – multiple Zugehörigkeiten einer Stadt zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die Stadt Elbing und ihre Selbstverortung in der polnisch-litauischen Staatenunion, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Gutachter*innen: Prof. Dr. Yvonne Kleinmann, Prof. Dr. Michael G. Müller
  • Anja Jahn (Master): Menschheitsplagen in vergessenen Landkreisen. Eugeniusz Tkaczyszyn-Dyckis topographische Lyrik, Humboldt-Universität zu Berlin, Gutachter*innen: Prof. Dr. Alfrun Kliems, Prof. Dr. Heinrich Kirschbaum
  • Simon Purk (Master): Der oberschlesische Industriebezirk und die Arbeitskräftepolitik 1914 – 1918, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Gutachter: Prof. Dr. Werner Benecke, M.A. Markus Nesselrodt

Den Festvortrag unter dem Titel "Die EU und ihre Nationen" hielt die renommierte Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Prof. i.R. Dr. Dr. h.c. Aleida Assmann. In Ihrer Rede stellt sie die Notwendigkeit und Wichtigkeit von der Kenntnis gemeinsamer und doch getrennt erlebter europäischer Geschichte dar:

In vielen Staaten Europas werden die alten Prinzipien eines monologischen Nationalstaats, der auf Stolz und Ehre gegründet ist und selbstherrlich über seine Geschichte entscheidet, wieder eingesetzt. Dabei wird gerade wieder vergessen, dass es eben diese egomanen und monologischen Nationen  waren, die den ersten und zweiten Weltkrieg entfesselt haben. Europa aber, so meine These, muss die Geschichte kennen, aus der es nach den heißen Weltkriegen und dem Kalten Krieg hervorgegangen ist. Ohne eine europäische Verständigung über diese Geschichte und ihre bis heute anhaltenden Folgen ist es unmöglich, einen gemeinsamen Richtungssinn – und nichts anderes heißt ja Orientierung - in der aktuellen Krise zu gewinnen und eine gemeinsame Zukunft zu imaginieren. [...]  Die Wahrheit über die Geschichte kennenzulernen, sollte aber kein Privileg der Wissenschaftler sein. Aufklärung und Bildung sind Grundrechte in einem demokratischen Staat, denn aufgeklärte Bürger schwächen die Nation nicht, sondern stärken sie.

Die Mitglieder der Jury:

Als Patron S. E. Prof. Dr. Andrzej Przyłębski, Botschafter der Republik Polen

 
Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg, Justus-Liebig-Universität Gießen
Prof. Dr. Hans Henning Hahn, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Prof. Dr. Beata Halicka, Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu
Prof. Dr. Igor Kąkolewski, Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften
Prof. Dr. Yvonne Kleinmann, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Prof. Dr. Bogdan Musiał, Instytut Pamięci Narodowej
Prof. Dr. Izabela Surynt, Uniwersytet Wrocławski
Prof. Dr. Alexander Wöll, Universität Potsdam
Prof. Dr. Klaus Ziemer, Uniwersytet Kardynała Stefana Wyszyńskiego Warszawa
 

Zum Hintergrund des Preises:

Seit 2008 verleihen die Botschaft der Republik Polen und das Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften jährlich einen wissenschaftlichen Förderpreis für herausragende innovative Dissertationen und Abschlussarbeiten aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften zur polnischen Kultur und Geschichte sowie den deutsch-polnischen Beziehungen. Der Preis dient der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und soll Studierende und Promovierende an deutschen Hochschulen zur Beschäftigung mit Polen und deutsch-polnischen Themen anregen. Eingereicht werden konnten überdurchschnittlich gute Arbeiten, die in der Zeit vom 16. September 2017 bis zum 10. September 2018 benotet worden sind.

Pressestimmen:
RBB 24
WDR - Radio COSMO