KLAUS ZERNACK COLLOQUIUM, 18.10.2016

18.10.2016
Vortragsreihe: Multilaterale Erinnerungsorte, Herausforderungen, Erwartungen und Potenziale
im Rahmen des Klaus Zernack Colloquiums fand am  Dienstag, den 18. Oktober 2016 folgender Vortrag statt:
 
Dr. Zuzanna Bogumił (Warschau)
Milieux de mémoire in Mittel- und Osteuropa. Der Fall Polens
 
Kommentar:
Prof. Dr. Robert Traba (Berlin)
 
 
Als Pierre Nora behauptete, es gäbe in Frankreich keine echten milieux de mémoire mehr, regte er Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Erforschung von lieux de mémoire an, sogenannten Erinnerungsorten, die ihm zufolge die einzigen Überreste der Vergangenheit seien. Was aber, wenn es noch Gruppen gibt, für die die Vergangenheit ein lebendiger Raum ist – Gesellschaften, die die Übertragung und Bewahrung gemeinsam erinnerter Werte garantieren?
Auf der Grundlage der Ergebnisse des Forschungsprojekts Milieux de mémoire in Mittel- und Osteu-ropa. Der Fall Polen argumentiert Zuzanna Bogumił, dass es immer noch Gemeinschaften in Polen gibt, die sich in Bezug auf das kollektive Gedächtnis in einer radikal anderen Lage als etwa westliche Gesellschaften befinden, welche für gewöhnlich Gegenstand der Erinnerungsforschung sind. Die kol-lektiven Gedächtnisse dieser Gruppen funktionieren in einem religiösen Gedächtnisrahmen, d.h. ihre Erinnerungen müssen sich an religiöse Strukturen halten, um in der Zeit zu überdauern. In ihrem Bei-trag erklärt Zuzanna Bogumił, wie bestimmte milieux de mémoire in Polen überdauert haben, was religiöse Gedächtnisstrukturen sind und wie sie funktionieren, und sie zeichnet die Bedeutung von milieux de mémoire für das kollektive Gedächtnis in Polen nach.
 
Dr. Zuzanna Bogumił ist Soziologin und Kulturanthropologin an der Maria-Grzegorzewska-Universität in Warschau. Ihre Forschung umfasst das kollektive Gedächtnis des GULag und der neuen russi-schen Märtyrer in Russland. Sie leitet das vom polnischen Nationalen Wissenschaftszentrum geför-derte Forschungsprojekt Milieux de mémoire in Mittel- und Osteuropa. Der Fall Polens (2013-2018). Sie ist Autorin der Bücher Pamięć Gułagu (Die Erinnerung des GULag, 2012) und Enemy on Display: The Second World War in Eastern European Museums (2015). Ihre Artikel erschienen in Kultura i Społeczeństwo, Polish Sociological Review und Europe-Asia Studies.