Der Zweite Weltkrieg in der Geschichtsdidaktik in Polen und Deutschland

23.05.2018

Der Zweite Weltkrieg in der Geschichtsdidaktik in Polen und Deutschland:  Wissen, Vermittlung und Darstellungsformen, 23.-26.05.2018, Zamość

Die 37. Konferenz der Gemeinsamen Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission der Historiker und Geographen UNESCO

Der Zweite Weltkrieg ruft auch nach einem Dreivierteljahrhundert sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Geschichtsdidaktik immer wieder neue Diskussionen hervor. Diese Diskussionen erhalten eine besondere Spezifik durch die Tatsache, dass aufgrund des demographischen Wandels die Erinnerung an den Zweite Weltkrieg vom kommunikativen Gedächtnis, das auf der Unmittelbarkeit von Erfahrungen beruht, ins kulturelle Gedächtnis überführt wird. Dies ist vor allem dem Verschwinden der letzten Zeitzeugen geschuldet. Damit einher geht eine Kanonbildung, in deren Zuge historische Wissensbestände neu gewichtet werden und Verlust- und Verdrängungsprozesse darauf hinweisen, wie sich Gesellschaften in ihren Erinnerungen repräsentiert sehen möchten. Die Lehrpläne machen eine didaktische Reduktion der Unterrichtsthemen erforderlich. Diese Situation stellt LehrerInnen und LehrbuchautorInnen vor die Frage, in welcher Weise der Zweite Weltkrieg für die nachfolgenden Generationen aufbereitet werden soll. Welche Inhalte sollen problematisiert werden? Welche Themen und Aspekte historischen Lernens sind in diesem Kontext bedeutend? Stellt der Fokus auf die großen politischen Ereignisse und Kriegshandlungen eine geeignete Herangehensweise dar, um den Zweiten Weltkrieg im Unterricht angemessen zu behandeln? Welche Methoden sollten in der Schulpraxis eingesetzt werden? 

Die Gemeinsame Deutsch-Polnische Schulbuchkommission hat es sich zur Aufgabe gemacht, ausgehend von aktuellen Arbeiten am gemeinsamen deutsch-polnischen Geschichtsbuchprojekt „Europa. Nasza historia / Europa. Unsere Geschichte“ Antworten auf diese Fragen zu suchen. Das Geschichtsschulbuch kann in der jeweiligen Landesprache an allen deutschen und polnischen Schulen eingesetzt werden. Zur Zeit entsteht – neben dem dritten (19. Jahrhundert) – der vierte abschließende Band, der das 20. Jahrhundert und somit auch den Zweiten Weltkrieg behandelt. Mehr über das Schulbuch auf Public History Weekly.

Das Ziel der Konferenz ist es, wissenschaftliche und didaktische Ergebnisse der gegenwärtigen Forschung zum Zweiten Weltkrieg zur Diskussion zu stellen. Als Leitthema haben wir, inspiriert durch den Tagungsort Zamość, das Leben unter der Besatzung gewählt: Schicksale der Zivilbevölkerung, Terror durch die Besatzungsmächte, Widerstandsbewegungen sowie Beziehungen zwischen Besetzten und Besatzern. FachwissenschaftlerInnen und FachdidaktikerInnen gehen gemeinsam der Frage nach, in welchem Umfang das Thema Eingang in die aktuelle Schuldidaktik gefunden hat und wie der Zusammenhang zwischen konkreten biografischen Bezügen und einem erweiterten politischen Kontext hergestellt werden kann, um einerseits Kriegserfahrungen nicht zu relativieren und andererseits einer nationalistischen Vereinnahmung entgegenzutreten.

Zudem soll in deutsch-polnischer Zusammenarbeit diskutiert werden, auf welche Weise Kinder und Jugendliche mit den Gräueltaten des Krieges vertraut gemacht werden sollen. Welchen Stellenwert soll der Mord an der Zivilbevölkerung und insbesondere an den Juden einnehmen? Sollte diese Darstellung den Unterricht zum Zweiten Weltkrieg dominieren? Wie soll mit widersprüchlichen Überlieferungen in Polen und Deutschland umgegangen werden, die z.B. einerseits die Verbrechen der Wehrmachtssoldaten betonen und andererseits das Schicksal der Familien bei Flucht und Vertreibung in den Vordergrund rücken? Oder: Wie sollen die „Gerechten unter den Völkern“ präsentiert und gleichzeitig über kollaborierende „szmalcownicy“  gesprochen werden? Das sind nur einige, in der Öffentlichkeit oft lebhafte Emotionen hervorrufende Beispiele, über die wir ausgehend vom aktuellen Forschungsstand diskutieren wollen.