Ausstellung: Vergebung und Versöhnung - Kardinal Kominek, unbekannter Gründervater Europas

29.02.2016 bis 08.04.2016
Man muss es schon sehen wollen!
 
Ohne Beachtung in den Berliner Medien und ohne erwähnenswerte Besucherfrequenz geht nun schon die zweite Woche der Ausstellung „Vergebung und Versöhnung. Kardinal Kominek. Unbekannter Gründervater Europas“ im Berliner Landtag zu Ende.
 
Was war geschehen?
Verdient dieses Thema vielleicht keine Aufmerksamkeit? Erfüllt die Ausstellung vielleicht nicht die Anforderungen an eine historische Ausstellung? Es ist genau umgekehrt.
Das Thema gehört zu den wichtigeren Motiven der europäischen Nachkriegsgeschichte. Die Ausstellung wurde nach einem Konzept des herausragenden polnisch-französischen Historikers Professor Krzysztof Pomian entworfen und von der renommierten belgischen Ausstellungsfirma Tempora ausgeführt – und sie stellt einen der interessanteren Versuche dar, eine faszinierende Biografie im Kontext bahnbrechender Ereignisse der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert zu erzählen.
 
Das Problem ist ein anderes. Weder „polnische Themen“ noch (umso mehr) ein polnischer katholischer Geistlicher als einer der Mitbegründer der Idee eines „gemeinsamen Europa“ passen zu den allgemein vorherrschenden Vorstellungen von der Geschichte. Den symbolischen Raum der Versöhnung bestimmen in Deutschland die deutsch-französische und die deutsch-israelische Versöhnung sowie der berühmte Kniefall Willy Brandts.
 
Den Politikern und Medien liegt nichts an der Schaffung eines neuen Symbols. Ihre Pflicht haben sie erfüllt, die Ausstellung ist in Berlin zu sehen. Aber ist es nicht von Bedeutung, dass beinahe niemand sie besuchen wird? In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass es 1965, in dem Jahr, als Bolesław Kominek als einer der polnischen Bischöfe, die in ihrem Brief an ihre deutschen Amtsbrüder den berühmten Satz „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ formulierten, (West)Deutschland viel mehr an einer Legitimation seines neuen Antlitzes in einem zusammenwachsenden Europa lag als dem kommunistischen Polen. 50 Jahre später ist die symbolische Geste des Briefs der polnischen Bischöfe zu einem leblosen Ritual geworden, das im Rahmen des 25. Jahrestags des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags lediglich „abgehakt“ zu werden scheint. Schade.
 
Aber die Ausstellung ist noch bis zum 8. April zu besichtigen. Eine Gelegenheit, eine vergessene Episode im Europa der Nachkriegszeit kennenzulernen. Eine Möglichkeit, eine äußerst interessante historische Ausstellung zu betrachten. Und schließlich die Gelegenheit, die Geschichte Polens aus einer neuen, überraschenden Perspektive kennenzulernen, hier in Berlin, 80 Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt.
 
 
Robert Traba