2019

Identitätsfabriken? Museen und historische Bildung in Polen

Das Klaus Zernack Colloquium ist im akademischen Jahr 2019/2020 den polnischen historischen Museen und der in ihnen praktizierten historischen Bildung gewidmet. In den letzten zehn Jahren sind in Polen zahlreiche neue Museen entstanden, die eine wichtige Rolle in der Prägung der Identität der polnischen Gesellschaft und in der Wahrnehmung ihrer eigenen Geschichte spielen. Nicht nur sind viele neue Museen gegründet worden, es wurde auch der Versuch einer radikalen Reformierung bereits bestehender Institutionen unternommen. Die Museen sind zu einem Versuchsgelände verschiedener ideeller und ausstellungspraktischer Konzepte geworden: Museen-Tempel wurden durch Museen-Erlebnisparks ersetzt, multimediale Formate der Wissensvermittlung haben an Bedeutung gewonnen. Neben den sogenannten narrativen Museen, entstanden kürzlich auch solche, die stark auf Originalobjekte und deren Geschichten fokussiert sind. Konzepte der Umsetzung der Idee des kritischen Museums kamen auf, neben großen nationalen Meistererzählungen fanden auch Stimmen der Minderheiten Eingang in die Ausstellungen. 

Auch wenn die Aufgabe von historischen Museen die Erzählung über die Vergangenheit ist, werden sie als Institutionen in der Gegenwart erschaffen und sind stark in ihr verwurzelt. Die in ihnen präsentierte Geschichte und die jeweilige Erzählart sind Ergebnisse des aktuellen Wissensstandes, damit verbundener Trends und Theorien, verfügbarer Technologien, aber gleichzeitig auch politischer und ideologischer Präferenzen ihrer Stifter und Erschaffer. Museen sind einerseits Ausdruck einer Geschichtskultur und können als staatliche Institutionen, finanziert durch öffentliche Mittel, zum Barometer der Geschichtspolitik werden. Auf der anderen Seite stellen Museen nicht nur ein Abbild der Inhalte öffentlicher Debatten dar, sondern nehmen aktiv auf diese Einfluss.

Das Ziel der Vorträge im Rahmen des Klaus Zernack Colloquiums 2019 ist eine Betrachtung der polnischen Geschichtsmuseen und der in ihnen praktizierten Museumsbildung im internationalen Kontext. Gemeinsam wollen wir über die Rolle der Museen bei der Konstruktion des historischen Gesellschaftsbildes, über ihre gegenwärtigen Probleme, Herausforderungen und ihre Zukunft nachdenken.

28.03.2019
Prof.  Yvonne Kleinmann (Halle/Saale)
Museum des Zweiten Weltkrieges in Polen - Versuch einer Ausstellungskritik jenseits der politischen Debatte
Kommentar: Dr. Łukasz Jasiński (Berlin)

16.05.2019
Prof. Ewa Manikowska (Warszawa)
Das "tribal" Museum. Zeitgenössische Ansätze zur institutionellen Vergangenheit in Polen
Kommentar: Dr. Małgorzata Stolarska-Fronia (Berlin)

6.06.2019
Dr. Piotr Forecki (Poznań)
Die Toruń-Markowa-Achse. Die Konstruktion von Museumsnarrativen über Polen, die Juden gerettet haben
Kommentar: Dr. Zofia Wóycicka (Berlin)

11.07.2019
Prof. Jerzy Kochanowski (Warszawa)
Warum gibt's in Polen kein Museum des Kommunismu? Der Umgang mit der sozialistischen Vergangenheit in Polen
Kommentar: Dr. Stefan Wolle (Berlin)

10.10.2019
Dr. Zuzanna Bogumił (Warszawa)
Kirchenmuseen: die Museen des Priesters Jerzy Popiełuszko entlang des historischen Wanderweges Bydgoszcz-Górsk-Włocławek
Kommentar: Prof. Tadeusz Bartoś (Pułtusk)

7.11.2019
Dr. Ljiljana Radonić (Wien)
Der Umgang von PiS und Fidesz mit "geerbten" Gedenkmuseen 
Kommentar: Dr. Florian Peters (Berlin/München)

21.11.2019
Dr. Vasco Kretschmann (Ratingen)
Breslau (Wrocław) museal. Eine Stadt erfindet sich neu
&
Dr. Maria Kobielska (Kraków)
Neue polnische Museen als Identitätsfabriken. Der Fall Oberschlesiens
Kommentar: Dr. Marcin Wiatr (Braunschweig)

12.12.2019
Laura Krebs (Halle-Wittenberg)
Das Muzeum Emigracji in Gdynia - Ein Gegenpol zum nationalen Meisternarrativ
Kommentar: Dr. Jacek Friedrich (Gdingen)

09.01.2020
Dr. Felix Ackermann (Warszawa)
Das Zellengefängnis als Museum. Barcelona, Warschau und Berlin im Vergleich
Kommentar: Dr. Dominik Pick (Berlin)

 

KONTAKT: Dr. Małgorzata Popiołek-Roßkamp